Bild von Stephanie Maertin
15.11.2024

Familientradition und Zukunftsvision: Stephanie Maertin im Spagat zwischen Unternehmerin und Mutter

Stephanie Maertin, Vorstand von Maertin & Co. AG, ist Nachfolgerin in der 4. Generation. Sie lebt für das Familienunternehmen, das hört man ihr in jedem Satz an und dennoch steht die eigene Familie mit ihrem Ehemann ihrem vierjährigen Sohn an erster Stelle. 

Was man sich so romantisch, bisweilen leicht vorstellt als eigene Chefin, ist nicht selten ein großer Spagat zwischen Unternehmerin und Mutter. Die Wege, die sie geht, sind allerdings beeindruckend und vorbildlich. Die Forderung an die Wirtschaft klar: "Wir müssen als Unternehmen flexibler werden, sonst verlieren wir unsere Talente“.  Im Interview beschreibt sie mir genau wie sie das meint und wie ihr persönlicher Weg aussieht.

Stephanie, erzähl doch mal, wie kam es dazu, dass du das Familienunternehmen übernommen hast?

Gerne. Ich bin seit 2010 im Unternehmen, hab damals erstmal nur reingeschnuppert. 2016 habe ich dann entschieden, die Verantwortung zu übernehmen und die Firma weiterzuführen – und das habe ich bis heute nicht bereut. Seitdem bin ich die vierte Generation, die unser Unternehmen leitet. 2020 kam dann mein Sohn zur Welt, und seitdem bin ich mitten in diesem Spagat zwischen Firma und Familie. Es ist spannend, aber ehrlicherweise auch eine Herausforderung, beides zusammenzubringen.

Das glaube ich dir sofort! Und dein Mann arbeitet ja auch im Unternehmen, richtig?

Genau! Mein Mann leitet bei uns die IT und Logistik, das hat sich eigentlich super ergänzt, weil wir uns vorgestellt haben, dass wir alles ganz harmonisch und flexibel miteinander managen können. Wenn ich zum Beispiel mal auf Geschäftsreise muss, dann übernimmt er eben. Die Idee war, dass wir uns gegenseitig entlasten - trotzdem ist es oft eine Herausforderung. Gerade wenn ungeplante Engpässe auftauchen, balancieren wir das dann zu dritt, also mein Mann, ich und die Firma (lacht).

„Arbeiten, so viel wie es geht – aber auch mit Raum für Familie“

 

Wie sieht deine Rolle im Unternehmen genau aus?

Nachdem ich anfangs die alleinige Geschäftsführung übernommen hatte, ist 2022 ist ein ehemaliger Mitarbeiter als Vorstand mit in die Geschäftsleitung eingestiegen. Das war eine gute Entscheidung und gibt mir etwas Luft. Wir haben uns die Aufgaben gut aufgeteilt – er kümmert sich mehr um das Tagesgeschäft und ich konzentriere mich auf die strategischen Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und diverse Projekte. So kann ich auch mal den Nachmittag mit meinem Sohn verbringen, ohne schlechtes Gewissen.

Klingt, als würdet ihr das richtig gut managen. Aber wie ist das bei dir persönlich? Wie viele Stunden arbeitest du in der Woche?

Stephanie Maertin: Puh, das ist schwer zu sagen. Ich arbeite einfach so viel, wie es geht. Wenn der Kindergarten zu hat, bin ich oft nur halbtags da, und wenn mein Sohn eine Betreuung hat, arbeite ich auch mal den ganzen Tag durch. Meistens arbeite ich zwischen 20 und 35 Stunden die Woche – je nachdem, wie die Betreuungssituation aussieht und wie es der Krankenstand zulässt.

„Wir müssen als Unternehmen flexibler werden, sonst verlieren wir unsere Talente“

 

Ein wunderbares Beispiel für Führung in Teilzeit. Jetzt lebst du ja das flexible Modell bei dir selbst, aber wie ist das in der Firma? Bietet ihr auch euren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern flexible Lösungen an?

Absolut! Gerade in den letzten Jahren hat sich das Thema enorm entwickelt, und wir leben das aktiv in der Firma. Ein gutes Beispiel ist unsere Produktionsleiterin, die drei Kinder hat, sie arbeitet einen Tag pro Woche aus dem Homeoffice. Oder wenn der Arbeitsschutz-Leiter mal nicht kommen kann, weil sein Kind krank ist, arbeitet auch er von zu Hause. Wir sind 80 Vollzeit-Mitarbeiter und leben jegliche Konzepte, die man sich so vorstellen kann. Die Anforderungen sind von Büro bis zur Produktion natürlich sehr unterschiedlich, doch da kann man ja schlecht sagen für dich haben wir eine Lösung und für dich nicht.

Jetzt habt ihr ja auch einen Produktionsbereich – welche Lösungen findet ihr hier in Sachen Vereinbarkeit und Flexibilität?

Das A und O ist aus meiner Sicht erst mal, dass die Leute diese Flexibilität und modernen Modelle auch wollen und hier nichts übergestülpt bekommen. Unsere Produktionsleiterin zum Beispiel reagiert auch mal am Wochenende, wenn ich dringend etwas von ihr brauche, weil es am Freitag nicht mehr geklappt hat. Das ist nicht die Norm, aber ebenso hat sie die Freiheiten, wenn sie unter der Woche mal Freiraum braucht wegen beispielweisen kranken Kindes oder Schultermins. Ich finde es wichtig, diese Grenzen des Altgewohnten zu lösen. Ich arbeite halt dann, wenn es geht und wenn es nicht geht, dann muss die Firma oder das Team auch ohne mich laufen. Voraussetzung dafür ist, dass ich gut genug vororganisiert habe. 

Gibt es für die Arbeitnehmer in der Produktion bei euch bereits weitere Vereinbarkeitsmodelle?

Aktuell haben wir eben die Produktionsleiterin, für die wir ein Modell haben. Alle anderen sind Männer, die derzeit keinen Bedarf haben. Sollte morgen aber jemand kommen, finden wir da auch eine Lösung.

Im Lager arbeiten bei uns zwei Personen in Halbtagspositionen – das gab es vor ein paar Jahren auch noch nicht. Einer davon darf auch schon um 7 Uhr anfangen, damit er um 11 Uhr fertig ist und um 12 Uhr seine Kinder abholen kann. Also ja, gibt es bei uns schon. ?

Wow, das ist ja vorbildlich. Aber wie ist das mit deiner eigenen Zeit? Schaffst du es, dir auch mal Freiräume für dich selbst zu nehmen?

Eher selten, um ehrlich zu sein. Zeit für mich allein gibt’s eigentlich nicht. Das ist aber okay für mich. Für mich ist es wichtiger, die Zeit, die ich habe, intensiv mit meinem Sohn und meinem Mann zu verbringen. Am Wochenende sind wir oft unterwegs, fahren mit dem Wohnmobil irgendwohin und genießen die Zeit zusammen. Das sind für uns die wertvollen Momente, da holen wir uns unsere Kraft.

Und wie stehst du zum Thema Kinderbetreuung in Deutschland? Gibt es da etwas, das du dir anders wünschen würdest?

Oh ja, definitiv! Bei uns gibt’s Kinderbetreuung nur bis 13:30 Uhr – das ist schon eine echte Herausforderung. Ich würde mir wirklich mehr Flexibilität wünschen. Dass es einfach Optionen gibt, die zu den Bedürfnissen der Eltern passen. Es geht ja nicht darum, das Kind den ganzen Tag abzugeben, sondern einfach um ein bisschen mehr Entlastung im Alltag. Wenn mein Sohn noch ein Mittagessen bekäme und bis 14 Uhr betreut werden könnte, wäre es für alle schon deutlich entspannter.

„Flexibilität und Organisation: Der Schlüssel zu Vereinbarkeit“

 

Was würdest du jungen Müttern, die in Führungsrollen einsteigen, als Rat mitgeben?

Ich denke, das A und O ist Flexibilität – auf beiden Seiten. Sowohl das Unternehmen als auch die Mütter müssen bereit sein, flexibel zu agieren. Manchmal muss man eben auch als Mama sagen, ich bin jetzt in der Kinderbetreuung, aber falls was Dringendes ist, meldet euch. Gleichzeitig sollte das Unternehmen so organisiert sein, dass alles auch mal ohne einen reibungslos läuft. Da hilft gute Organisation und klare Kommunikation, damit alle wissen, wann ich da bin und wann nicht.

Jetzt noch ein Blick in die Zukunft – was wünschst du dir, was dein Sohn einmal über deine Arbeit denkt?

Ich möchte, dass er mit einem modernen Rollenbild aufwächst und versteht, dass es egal ist, ob Mama oder Papa arbeiten oder bei für ihn da sind. Bei uns räumt der Papa die Spülmaschine aus und ich die Mama dekoriert das Haus – aber am Ende sind wir beide gleich wichtig. Ich wünsche mir, dass er in einer Welt lebt, in der Geschlechterrollen keine Grenzen setzen.

Das ist eine tolle Einstellung. Und was möchtest du beruflich und gesellschaftlich noch bewegen?

Wie schon gesagt, wünsche ich mir mehr Flexibilität für Familien, vor allem in der Kinderbetreuung. Es muss einfach normal werden, dass man Arbeit und Familie verbinden kann, ohne sich verbiegen zu müssen. Für mich persönlich ist es auch wichtig, dass mein Sohn sieht, wie gut wir es haben. Ich sage ihm oft, dass ich arbeite, damit wir uns schöne Dinge leisten können. Und ich möchte, dass er diese Verbindung versteht – dass Arbeit etwas Positives ist und uns Freiheit gibt.

Stephanie, ich finde, du gehst da mit einem wunderbaren Vorbild voran! Danke dir für das Gespräch und die spannenden Einblicke.

Danke dir, Andrea! Es ist schön, darüber zu sprechen und zu sehen, dass sich bei dem Thema Vereinbarkeit etwas bewegt.

 

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Link zum Unternehmen von Stephanie Maertin 

Technischer Fachhandel - Maertin & Co. AG

 

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(1) Stephanie Maertin | LinkedIn

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